SPRACHTHERAPEUTISCHEN VERFAHREN — ERFAHRUNGEN MIT DER FORDERUNG DURCH PHONETISCHE RHYTHMIK

VERBESSERUNG DES LAUTSPRACHLICHEN AUSDRUCKS HORGESCHADIGTE KINDER DURCH EINSATZ VON GANZKORPERLICHEN
SPRACHTHERAPEUTISCHEN

VERFAHREN — ERFAHRUNGEN MIT DER FORDERUNG DURCH PHONETISCHE RHYTHMIK


Dr. Ljudmila Hoppe — Institutfur Rehabilitationswissenschaften Humboldt —
Universitat zu Berlin

PHONETISCHE RHYTHMIK ist ein offencs System, in welches verschiedene Ansatze der Forderung horgeschadigter Kinder Eingang gefunden haben — die Rhythmisch- musikalische Erziehung, die Horerziehung, Stimm- und Entspannungsiibungen und auch die Tanztherapie. Es ist wunschenswert, dass auch weitere Bereiche wie die Pantomime und das darstellende Spiel zukiinftig Eingang in dieser Methode finden.
Grundbegriffe Fremdsprache, die Kommunikation, Sprachauffassung, phonematischer Gebilde, Gehorlosen, die Intonation.

Der Bildungserfolg gehorloser und schwerhoriger Schuler hiingt unter Anderem vom normgerechten Gebrauch der Lautsprache sowohl in der graphologischen ( Schreiben und Lesen ) als auch phonologischen Modalitat (Sprechen) ab. Die Unsicherheit der Sprachauffassung auf Grund des liickenhaften Absehens und einer unvollstandigen auditiven Wahrnehmung phonematischer Gebilde sowie einer geringeren Verstandlichkeit und Deutlichkeit ihrer eigenen Aussprache erschweren erfahrungsgemaB dem Gehorlosen und Schwerhorigen gravierend den Kontakt mit der Umgebung mittels Lautsprache.
Damit auch die Lautsprache auch den Gehorlosen als vollstandiges Kommunikationsmittel dienen kann, ist eine schadigungsspezifische muttersprachliche Forderung und eine spezielle Sprech- Stimm- Erziehung so friih wie moglich anzusetzen. Dabei soli die Sprachforderung eng mit der Horerziehung und der rhythmisch — musikalischen Erziehung ( RME ) verbunden werden. Dies setzt eine Friihversorgung mit geeigneten Horgeraten oder dem Cochlear Implant ( Cl) voraus.

Die sprecherzieherischen Ubungen diirfen nicht auf Gelaufigkeits- und Nachsprech- iibungen im Sinne von Lautsprechubungen beschrankt werden wie es bis jetzt traditionell in der Horgeschadigtenpadagogik praktiziert wurde. Das Sprechen Gehorloser und Schwer- horiger wird gut verstandlich und erreicht „ einen hoheren kommunikativen Effekt wenn,
„diese nicht nur sprechen konnen, sondem speziell ausdrucksvoll sprechen ler nen. Dazu sollen die normgerechte Akzentuierung, die Intonation und das Sprechtempo geiibt werden ( Linder, 1992, 77) . Dadurch wird die Kommunikation horgeschadigter Menschen mit den Horenden auch unter schlechten phonetischen Bedingungen erleichtert (z. B. die oft undeutliche Aussprache horgeschadigter Menschen). Es erweist sich als sehr hilfreich, dabei rhythmische Bewegungen (ganzkorperliche Bewegungen, Bewe- gungen der Hande oder der FuBe) mit dem Sprcchen zu verbinden.
Das Erfassen des Rhythm us durch Mitbewegungen verbessert zudem den gesamten Sprachrhythmus: die Muskeltatigkeit und die Atmung normalisieren sich, weil so der Eigenrhythmus des horgeschadigten Kindes aktiviert wird. Straumann (1992, 24) betont, dass durch unterschiedliche rhythmische Ubungen die Voraus- setzungen “fur die Entwicklung einer der Personlichkeit entsprechenden Stimmlage, fur die richtige Bildung der Laute, Lautverbindungen, Worter und eine sinnvolle betonte Sprache geschaffen“ werden.
Das Verbinden der rhythmischen Kбфerbewegungen mit den Bewegungen der Sprechorgane lockert die Spannung der Muskulatur und beseitigt die Monotonie, welche fur llorgeschadigte oftmals charakteristisch ist.

Besonders die sprachbegleitenden Bewegungen der Hande bewirken fur den Sprecher eine sprechmotorische AuBenlenkung und verdeutlichen den sprechmotorischen Verlauf fur den Empfanger ( Breiner, 1990).
Daher nimint die Rhythmisch — musikalische Erziehung (RME ) einen gesonderten Platz in der Forderung gehorloser und schwerhoriger Kinder ein. In der rhythmisch- musikalischen Forderung gibt es verschiedene Lembereiche welche alle miteinander in Verbindung stehen: Musikalitat, Motorik, Sensorik , Fantasie und Kreativitat sowie sozialer Lernbereich. Ein spezieller Beriech der RME bei horgeschadigten Kindern ist dem Erfahren, Erkennen und Benennen gewidmet. Die Verbindungsglieder dieser einzelnen Lernbereiche sind Elemente der Musik, Sprache und Bewegung. Es geht im Allgemeinen darum, durch den Einsatz der RME die Wahrnehmung zu erweitern, die Kommunikation zu fordem sowie die Personlichkeitsentwicklung horbehinderter Menschen zu unterstiitzen.
Es bestehen melirere methodischen Konzepte und Ansatze fur die rhythmisch- musikalische Forderung von Horbehinderten ( Mimi Scheiblauer ,1965; Claus Bang, 1984 ; Shirley Day Salmon , 2003). Dazu gehort unserer Meinung nach auch die Methode der Phonetischen Rhythmik, die leider in Deutschland noch nicht so bekannt und verbreitet ist.
Wie internationale und unsere personliche Erfahrungen zeigen, nimmt die Methode der Phonetischen Rhythmik einen besonderen Platz in der Reihe padagogischer Konzepte der rhythmischen Forderung horbehinderter Kinder an. Sie kann speziell fur die Verbesserung der auditiven Lautsprachperzeption und Entwicklung bzw. Verbesserung der Sprechleis- tun gen bei gehorlosen und schwerhorigen Kindern angewendet werden.
Diese Methode ist ein Bestandteil der Verbo-tonalen Methode von Prof. Petar Guberina Zur Geschichte der Phonetischen Rhythmik:
Prof. Petar Guberina ( 1913-2005 ) entwickelte seine Methode zwischen 1934 — 1952 zuerst als Unterstiitzung fur den Fremdspracherwerb (speziell fur Franzosisch) bei horenden Lernern. Er beobachtete bei seinen horenden serbokroatischen Studenten das Phanomen des

so genannten „phonologischen Siebs“( crible phonologigue“) (vgl. J.Coll ,1995, 471). Dies bedeutet, dass die Phoneme einer Fremdsprache, die im Inventar der Muttersprache nicht enthalten sind, zumindest in einer Anfangsphase vom Lernenden auditiv nicht wahrgenommen werden und daher auch nicht normgerecht produziert werden konnen. Diese nicht gelungene Lautsprachperzeption fuhrt zu systematischen Aussprachefehlern.
In der Folge beschaftigte Guberina ( 1992, 14) sich auch mit Horschadigungen und konnte in einem Experiment mit jeweils 50 Schallleitungs- und Schallempfindungsschwerhorigen beobachten, dass sie bestimmte Sprachlaute nicht horten bzw. in einem anderen als dem dargebotenen Frequenzbereich wahmahmen .
So wurde seine Methode in den 60-ger Jahren des vergangenen Jahrhunderts auch fiir den Bereich der Horgeschadigtenpadagogik iibernommen und von seiner Schulerin Vesna Pinter, seinen Kollegen Mladen Lovric sowie von Vinko Gladic in Zentrum SUVAG ( System der Universalen Verbo-tonalen Audition nach Guberina ) in Zagreb weiter entwickelt.
Die Offnung des Zagreber Zentrums SUVAG in den 80-ger Jahren, auch fiir andere osteuropaische Lander ermoglichte die weitere Entwicklung und Verbreitung der Methode in der damaligen Sowjetunion. Dank der wissenschaftlichen und praktischen Ausarbeitungen eines Forschungskollektivs aus Moskau unter der Leitung von A. Pfafenrodt wurde die Phonetische Rhythmik als Teil der Verbo-tonalen Methode in den Stundenplan der 1. und 2. Klassen der Schwerhorigenschule (1989) und spater der Gehorlosenschule (1990) in der gesamten Sowjetunion als Unterrichtsfach eingefiihrt. Sie wird bis in die heutige Zeit weiter praktiziert. Inzwischen fmdet die Verbo-tonale Methode ihre Anwendung auch in der Frtihforderung horgeschadigte Kinder in Russland (Rulenkova, 2000; Schmatko, 2002) .Unserer Erfahrung nach eignet sich diese Methode auch fiir die Gruppen- therapie bei Kindern und Jugendlichen mit anderen Wahmehmungs- und Bewegungsstorungen bzw. sie kann in der logopadischen EinzelfSrderung angewendet werden.
Diese Methode wird auch im Bereich der Horgeschadigtenpadagogik in den USA, in Frankreich, Kanada, Russland, Ukraine, Bulgarien, Polen, Estland, Italien und im Fremdsprachenunterricht in Australien eingesetzt.
In Deutschland fand diese Methode bisher noch nicht genug Beachtung. Deshalb wurde sie ab 1992 von der Autorin in die Ausbi ldung von Gehorlosen- und Schwerhorigenpadagogen an der Humboldt-Universitat sowie in der Logopadenausbildung in Berlin eingefiihrt, fiir die deutsche Sprache modifiziert sowie in der Stimmthera- pie Gehorloser und Schwerhoriger eingesetzt. Erprobt wurde die Methode auch in der Therapie mit Stotterern und alteren Aphasie-Patienten mit Migrationshintergrund (Russisch als Muttersprache).
Durch das Studium der Rehabilitationspadagogik an der Humboldt — Universitat zu Berlin und das Studienprakti- kum in Frankreich setzte sich Britta Frenzel mit dieser Methode am Ende der 90-ger Jahre auseinander. Wir verdanken ihr die Ubersetzung und Zusammenfassung vieler Publikationen von Grundem und
Praktikern der Verbo-tonalen Methode, deren Publikationen bis dato neben der Kroatisch und Russisch nur in Franzosisch vorlagen. Die Vorstellung der Methode und weitere Erprobungen fanden 2005/2006 im Rahmen des Zusatzstudi- ums Deutsch als Zweitsprache an der Freien Universitat Berlin und praktischen Arbeit mit Studenten des Goethe Instituts in Berlin durch Katharina Hoppe statt. Insgesamt arbeiten nach der Verbo- tonalen Methode weltweit 70 SUV AG- Zentren. Tn zwei SUV AG -Zentren — in Kiev und in Selonograd bei Moskau hospitierte die Autorin mit Studenten der Humboldt — Universitat

zu Berlin wahrend melirerer Studienreisen von 2005 bis 2012 und sammelte weitere Erfahrungen
2. Die Verbo-tonale Methode ( lat.: „ verbum = Wort und Tone) orientiert sich am Modell der Sprachentwicklung normal horender Kinder. Es handelt sich um eine orale und horge- richtete Methode, bei der die friihe Horerziehung mit systematischen Phonationsubungen verbunden wird, um die Stimme des horgeschadigten Kindes zu erhalten und ihm eine verstandliche Lautsprachproduktion zu ermoglichen.
Die verbo-tonale Methode umfasst folgende Elemente:
• die verbo-tonale Audiometrie (basierend auf Sprachlauten)
• die Phonetische Rhythmik
• das Sprechzeichen
2.1. Die verbo-tonale Audiometrie
Mit Hilfe der verbo-tonalen Audiometrie soli fur jedes horgeschadigte Kind sein optimales Horfeld bestimmt werden, d.h. die Frequenzzonen, in denen es am besten hort. Nach Dekneuvel ( 1992, 42) wird im Gegensatz zur Tonaudiometrie nicht der Horverlust einer Person gemessen, sondern es werden ihre auditive Fahigkeiten gemessen . Die Horfahigkeit wird nicht anhand von reinen Tonen, sondern anhand von Sprachlauten — Phonemen- iiberpriift. Fur jedes Phonem bestimmte Guberina im Vorfeld das Frequenzband
— die Oktave- in der dieses Phonem am besten wahrgenommen werden kann : die „ optimale Oktave
Ziel der verbo-tonalen Hor- und Sprachforderung ist, das optimale Horfeld zu eiweitern und die funktionelle Horfahigkeit zu entwickeln.
Fiir die verbo-tonale Audiometrie wurde der spezielle Audiometer „SUVAG 11“
(fur Schwerhorige) und „SUVAG I“( fiir Gehorlose ) konstruiert. AuBerdem sollen die weiteren anschlieBenden Ubungen mit speziell dafur konstruierter Technik erfolgen.


Abb. 2. : Vorfuhrung elektro-akustischer und vibratorischer Verstarkerkunsgerate bei einer Weiterbildung in Moskau (privat Photo)
2.2. Phonetische Rhythmik
Phonetische Rhythmik ist ein System von Bewegungsiibungen, bei denen unterschiedliche Korperbewegungen mit dem Sprechen eines bestimmten Sprachmaterials (kleine Texte, Satze, Worter, Silben und Laute) koordiniert werden.
Eine theoretische Grundlage Шг diese Methode bildet die nachgewiesene phylogenetische Verbindung zwischen der Entwicklung der Bewegungen und der Ausbildung der Artikulation.
Es wurde bewiesen, dass zwischen der Entwicklung der Grobmotorik in ihren Grundbewe-
gungsformen ( Stehen, Gehen, Laufen, Springen usw.), der Handmotorik als auch der

Entwicklung der Fein- und der Sprechmotorik eine direkte Verbindung besteht. Die Ungezwungenheit und Lockerheit der Gesamtbe- wegungen wirken sich positiv auf die
Bewegungen der Sprec’norgane aus. Bekanntlich voilzieheti die Gehorlosen beim Sprechen in der Koarti- kulation langsame, kraftvolle Bewegungen. Deswegen miissen sie auf ein differenziertes, anstrengungsloses Bewegungsverhalten umgestellt werden.
Die Phonetische Rhythmik bietet eine Moglichkeit, in einer lebendigen Kommunikations- atmosphare die Vielfalt von sinnvollen Spracheinheiten — Wortern, Satzen, kleinen Texten — einzutiben und den Sprech bewegungsablauf zu automatisieren. Alle in dieser Methode vorgesehenen Ubungen werden am Material von Kindergedichten, Liedern, Abzahlreimen, Sprichwortem, Zungenbrechern usw. durchgefiihrt. Die Anwendbarkeit und der Kommuni- kationswert des gelernten Sprachmaterials fur den lautsprachlichen Umgang des Horgeschadigten fordern die Lernmotivation und die spielerische Interaktionsform der Bewegung der Kinder. In der
Phonetischen Rhythmik werden folgende Aufgaben realisiert:
• die Verbindung der Arbeit des sprechmotorischen und des auditiven Analysators mit der Entwicklung der Gesamtmotorik
• die Ausbildung der natiir lichen, gut rhythmisierten und akzentuierten Lautsprache horgeschadigter Kinder bei der Entwicklung der Sprechmotorik durch Forderung der Gesamtmotorik
• Entwicklung der auditiven Lautsprachperzeption und das Ausnutzen von Horresten fur die Ausbildung und Korrektur von Sprechfertigkeiten (Wlasova et all, 1997, 4)
Die Phonetische Rhythmik besteht aus
• korperlicher Rhythmik
• rhythmisch-musikalischer Erziehung
• Rhythmik der Hande und der Finger
2.2.1. Die korperliche Rhythmik:
Hier werden grobmotorische Bewegungsmuster (Bewegungen der Hande, der Arme, der FuBe, des Rumpfes, des gesamten Korpers) genutzt, um die feinmotorischen Bewcgungsablaufe der Respirations-, Phonations- und Artikulationsorgane hervorzurufen, zu koordinieren bzw. zu verstarken.
Nach Le Clavez ( 1992,52 ) gibt es verschiedene Arten von Bewegungen:
1. die Stimmgebung vorbereitende Bewegungen,
2. Bewegungen zum Hervorrufen von einzelnen Lauten oder Lautverbindungen,
3. Bewegungen zum Unterstiitzen der Artikulation von Wortem und Satzen,
4. Bewegungen zum Unterstiitzen des Rhythmus’ und der Intonation
5. Bewegungen zur Korrektur des Rhythmus’, der Intonation und Artikulation
6. „ Choreografische “ Bewegungen, die prosodische Merkmale der Sprache verstarken
2.2.1. Rhythmisch-musikalische Erziehung
In der rhythmisch-musikalischen Erziehung werden mit den horgeschadigten Kindern unterschiedliche Bewegungen mit Tanzelementen, das rhythmisches Gehen, das Springen in Verbindung mit Handbewegungen (z.B. Klatschen zum Rliythmus) geiibt. Musikalische Rhythmen werden zunachst iiber die tiefen Frequenzbereiche angeboten. Das Ziel der rhythmisch-musikalischen Erziehung ist fur das Kind seinen eigenen Rhythmus (wieder) zu finden und erleben zu lassen. Sie wird in enger Verbindung mit der korperlichen Rhythmik und der Horerziehung durchgefiihrt.

Abb.4 : RME- Ubungen inSUVAG — Zentrwn in Zagreb
2.2.1. Rhythmik der Hande und der Finger
Dieser Teilbereich der Phonetischen Rhythmik ist relativ jung und wurde von Vinko Adlo Gladic entwickelt. Er hatte bei vielen horgeschadigten Kindern parallele Schwierigkeiten im Bereich der Sprech- und Handmotorik festgestellt. In der Rhythmik der Hande und der Finger werden in einem ersten Schritt durch die sanften Beruhrungen und Massage der Hande und Finger des horgeschadigten Kleinkindes seine ersten handmotorischen Reaktionen — das SchlieBen und Offnen der Fauste — hervorgerufen. Die Ilandbewegungsrhythmen werden immer auch von der Sprache begleitet. AnschlieBend werden dem Kind die verschiedenen taktilen Erfahrungen durch den aktiven Gebrauch seiner Hande und Finger ermoglicht.

Abb. 5: Ubungen mit dem SUVAG — Vibrationstisch
Fingerspiele und die Imitationen bzw. das Erraten der von den Fingem dargestellten Tatigkeiten und der Objekte sowie Personen mit unterschiedlichen Verhaltensmerkmalen
leiten iiber zu Geschichten, die mit Fingem und Handen erzahlt werden, zum Finger- und Handtheater, welches auch rhythmisch mit Stimm- und/ oder SprachauBerungen synchro-
nisiert wird .(Frenzel, 1992, 52)
2.3. Das Sprechzeichen
Bei den Sprechzeichen handelt es sich nach Gladic um die graphische Darstellung von Phonemen, Silben, Wortem und Satzen sowie der prosodischen Merkmale von SprachauBerungen. Hierbei wird angestrebt, die phonetischen Eigenschaften als Symbol abzubilden .Das Ziel ist die Visualisienmg der phonetischen Parameter.
Dabei werden die Figuren / Zeichen auf dem Papier, in der Luft und auf der Sandtafel sprechbegleitend geschrieben / gemalt. Durch die Synchronizitat von Sprechen und Zeichnen werden die feinmotorischen Bewegungsmuster der Sprechorgane und der Hande und der Finger parallel ausgefuhrt ( Frenzel 1992, 80).
Alle drei Bereiche der Verbo-tonalen Methode vereint ein gemeinsames Ziel:
durch die Hor- und Sprachforderung das optimale Horfeld zu erweitern und die

funktionelle Horfahigkeit zu entwickeln und die Ausbildung kommunikationsfahiger Aussprache horgeschadigter Kinder bzw. die Verbesserung ihrer Ausdrucksweise zu ermoglichen.
3. Methodische Gestaltung von Phonetische Rhythmik
Bei alien Ubungsformen wird auf die Gleichzeitigkeit von stimmlicher / sprachlicher AuBerungen und manueler / korperlicher Tatigkeit geachtet. Alle Bewegungen in der Phonetischen Rhythmik dienen der Entwicklung unterschiedlicher Seiten lautsprachlicher Leistungen horgeschadigter Kinder:
• Normalisierung der Sprechatmung und des damit verbundenen flieBenden Redeablaufs,
• Ausbildung einer physiologisch-okonomischen Sprechstimme ( Fahigkeit zur Veranderung der Lautstarke und der Stimmhohe sowie das Erhalten des normgerechten Stimmklangs ohne iibermaBige Abweichungen wie starke Nasalitat)
• korrekte Aussprache von Einzellauten und Lautverbindungen in alien Positionen : isoliert, in der Silbe, im Wort und im Satzgefuge,
• Anwendung eines angebrachten Sprechtempos,
• Wahmehmung, Differenzierung und Wiedergabe von unterschiedlichen Sprechrhythmen
• Entwicklung der Fahigkeit, eigene Emotionen durch Veranderung der Intonation auszudriicken
Die Kinder lemen zuerst spezielle Bewegungen fur die einzelnen Vokale, Diphthonge, Umlaute und Konsonanten. Nachdem sie gelernt haben, bei den entsprechenden Bewegungen den ihnen zugeordneten Laut auszusprechen, fiihren sie den entsprechenden Laut in Verbindung mit anderen Lauten oder Lautverbindungen in der Silbe oder in der Silbenkette zusammen: Та Та Та To To To Tu Tu Tu Те Те Те Ti Ti Ti,oNa — uNa — aNa — NaNaNa, aSa-eSe-iSi — SaSeSi.
Dabei besteht eine vielfaltige Kombinationsmoglichkeit fiir alle Vokale mit alien Konsonanten in der An-, In- und Auslautposition am Wortmaterial und im Satz. Spater, beim Sprechen von kleinen Texten, wird nur der Ziellaut bzw. der zu korrigierende Laut durch die Bewegung unterstiitzt. (z.B. beim Sigmatismus die S-Laute (flieBende Offnungsbewegung mit beiden Handen vom Mundwinkel schreck nach unten ) oder beim Kappazismus — die K-Laute (schnelle senkende Bewegung beider zuerst gehobene und ausgestreckte Ellenbogen nach unten, wie beim ,,Ententanz“).
Die Arbeit an Einzellauten ist nie alleiniges Ziel der Ubungen und wird mit der Arbeit an Rhythmus und Tempo, an Atmung und Stimme oder Intonation gekoppelt.: zunachst an den suprasegmentalen Elementen der Sprache — an Rhythmus, Akzentuierung und Tempo — die auch gehorlosen Menschen in der auditiven Wahrnehmung zuganglich sind .
Die Sprachrhythmen sollen mit dem Nachklatschen, Nachstampfen, Schnipsen, Springen, auf einen Gegenstand klopfen (auf die Hande, auf den Oberschenkel oder auf den Riicken des Partners usw.) begleitet vverden. In weiteren Ubungen verbindet man einen bestimmten Rhythmus mit dem konkreten Sprachmaterial: in der Silbe im Wort im Satz
tata-tata Himmel — Erde lange StraBe
tatatata
tatata ta ta veranstalten Wie geht es dir ?
Das Wetter ist rschon.

Die Arbeit am Sprechtempo
Am Anfang der Ubungen zum Sprechtempo lernen die Kinder verschiedene Tempi am Beispiel verschiedener Bewegungen im Raum wie Gehen (Та Ta — langsam), Laufen (ta,ta,ta,ta — schnell), Rennen (Tatatatatata — sehr schnell) kennen. Die Arbeit am Sprechtempo ist sehr wichtig, da die horgeschadigten Kinder durch den verlangsamten Sprechbewegungs- ablauf meistens sehr langsam und ausgedelint sprechen, was z.B. bei der Qualitat der Vokaldauer identifikationsstorende Folgen bzw. Auswirkungen auf die lexikalisch-semantische Ebene der Lautsprache hat. Im weiteren Verlauf der Ubungen konnen die Abzahlreime mit steigender Geschwindigkeit gesprochen werden.
Der Anbildung, Festigung oder Korrektur der Artikuiation horgeschadigter Kinder ( die umfangreichste Arbeit im sprecherzieherischen Bereich horgeschadigter Menschen) gehen die Ubungen fur die Respiration und Phonation voran.
Die Arbeit an der Respiration
Bei der Arbeit an der Atmung geht es in erster Linie um die Ausbildung einer Zwerchfellatmung und die Umstellung der Vitalatmung auf die Sprechatmung sowie die Verlangerung der Ausatmung. Fur die Ubung eignet sich das Prinzip des erweiterten Satzes
Der Ball rollt.
Der rote Ball rollt.
Der rote Ball rollt schnell herunter bzw. Kinder sollen versuchen, in einem Ausatmungszug immer mehr Worter z.B. von bestehenden Reinenfolgen (Zahlenreihen, Monate) oder Satze eines Gedichtes zu sprechen.
Arbeit an die Phonation
Die Stimmiibungen sollen das horgeschadigte Kind befahigen, seine Stimrne bewusst zu gebrauchen. Ein Schwerpunkt dabei bildet die Ausbildung einer individuellen mittleren Sprechstimmlage. Die auditive und taktil- kinasthetische Selbstkontrolle soli vermeiden, dass die Stimme zu hoch (Fistelstimme) oder zu tief, krachzend, resonanz- und krafflos oder verhaucht klingt. Stimmiibungen sind in erster Linie Ubungen zum Regulieren des Tonus und Klanges. Dabei geht es um
Bewusste Wahrnehmen der eigenen Stimme
Beispiel: (leises und lautes Namen-Rufen, Imitation verschiedener Tierstimmen) Einubung der richtigen Stimmhohe
Beispiel : (Die Laute „ Schaukel “ von unten nach obcn, das Flugzeug auf „ W “ starten und landen lassen, Imitation der Sirene)
Einubung der notwendigen Stimmdauer
Beispiel: (Mit Handen Lenkradbewegung beim „ Autofahren“ imitieren und dabei den Motor stimmlich lange auf ,,brrrrr“ laufen lassen; lang und kurz das Glockchen erklingen lassen : bim-bim, bimbimbimbimbimbim) und der Stimmstarke
Beispiel: a) Klavierspiel : die Silbenreihe mit Vokalen : Mamomumemr mit Verlegung des Akzents spielen : MAmomumemi; maMOmumemi,mamoMUmemi, mamomuMEmi,mamomumeMl;
В)Wochentage/ Monate aufzahlen und von ganz leise beginnend die Lautstarke allmahlich steigern bzw. wieder leiser werden lassen.
Produzieren des normalen Stimmklangs (oline Naseln)
Beispiel : Rufe-Ubungen zur Aktivierung des Gaumensegels ( Hoppe, 1995, 31) Zusammenfassung:
Alle Bereiche der Methode der Phonetischen Rhythmik flieBen ineinander ein und fordem sowohl die expressiven Fahigkeiten horgeschadigter Kinder — im Besonderen die

Entwicklung ihrer Lautsprachproduktion als auch die Nutzung der kindlichen Florreste und deren funktioneller Erweiterung.
Dieses methodische Verfahren ist ein offenes System, in welches verschiedene Ansatze der Forderung
horgeschadigter Kinder Eingang gefunden haben — die Rhythmisch-musikalische Erziehung, die Horerziehung, Stimm- und Entsparmungsiibungen und auch die Tanztherapie. Es ist wunschenswert, dass auch weitere Bereiche wie die Pantomime und das darstellende Spiel zukunftig Eingang in dieser Methode finden.
Auch wenn diese Methode in Deutschland bisher weniger bekannt ist und dadurch weniger systematisch und vor allem nicht in einer streng einzuhaltenden Kombination der einzelnen Elemente angewendet wird, kann sie gerade deshalb flexibel in vielen Bereichen der Forderung eingesetzt werden. Wir konnen uber die positiven intemationalen und unsere eigenen Erfahrungen berichten, die wir mit der Methode der Phonetischen Rhythmik in Verbindung bringen: die lautsprachlichen Leistungen der nacli dieser Methode geforderten und von uns erlebten horgeschadigten Kinder aus Russland, Ukraine, Kroatien und Frankreich wurden durch Emotionalitat und lebendigen Ausdruck gekennzeichnet.
Die Verbindung des sprechmotorischen Analysators mit dem auditiven Analysator durch die Bewegun- gsubungen in der Phonetischen Rhythmik bereits in der Anbahnungsphase der kommunikativen Forderung sichert vielen gehorlosen und schwerhorigen Kindem eine bessere Basis fur die Lautsprachperzeption hinsichtlich der weiteren Ausbildungsphasen und begiinstig somit den Bildungserfolg und die damit verbundenen Chan- cengleichheit dieser Kinder.

Literatur:
1. Bang Claus ( 1984 ): Eine Welt von Klang und Musik, In: Horgeschadigten Padagogik Jahrgang 38, Heidelberg : Julius Groos Verlag
2. Frenzel, Britta (2000) : Friihforderung horbehinderter Kinder in Frankreich und in der Bundesrepublik Deutschland — eine vergleichende Bestandaufnahme. Berlin, Diplomarbeit an der Humboldt-Universitat Frenzel, Britta (2002): Die verbo-tonale Methode nach Petar Guberina. In : Horgeschadigte Kinder, Heft 5, Gladic,Vinko (1992) : La graphisme phonetique,dessin du discours. In : La methode verbo-tonale en 1992. Le Courrier de Suresnes Nr.58, S. 79-88
3. Hoppe, Ljudmila (1993): Methodische Ansatze zur Vervollkommnung der Sprechweise der Horgeschadigten. Berlin : In : Sonderpadagogik in Berlin, vds Informationen des Landesverbandes, Heft 4,
4. Hoppe, Ljudmila (1995) : Zur Stimmtherapie bei horgeschadigten Kindem. In Horgeschadigtenpadagogik, Beiheft 35, Heidelberg: Julius Groos Verlag
5. Hoppe Ljudmila ( 2010 ) Nutzen von Elementen der Phonetischen Rhythmik in der Sprecherziehung gehorloser und schwerhoriger Kinder in Deutschland . Moskwa: Akademia, (russ).
6. Jachnina, Elena (1997) : Rhythmisch-musikalische Ubungen . Moskwa : Rossijskoje pedagogitscheskoje agentstwo. (russ.)
7. Le Calvez,Viviane (1992): Le stimulations rythmiques corporelles. In : La methode verbo-tonale en 1992. Le Courrier de Suresnes Nr.58, S. 51-56
8. Lindner, G (1992 ): Padagogische Audiologie. Berlin: Ulstein Mosby
9. Rulenkova, Ljudmila (2000) : Ausbildung und Rehabilitation horgeschadigter Kinder nach der Verbo-tonalen Methode. Moskwa : Akademia, S. 2-9 (russ.)

10. Salmon Shirley ( 2003) : Spiellieder in der multisensorischen Forderung von Kindem mit Horbeein- trachtigung. Diplomarbeit an der Leopold-Franzens- Universitat Innsbruck
11. Scheiblauer, Mimi (1991 ) : Bewegung und Musik als Erziehungs- und Bildungshilfe in der Heilpadagogik; Vortrag veroffentlicht in: Rhythmik in der Erziehung 18. Jg. 1/91; Heckner/Wolfenbuttel Straumann, Johannes (1992): Lernen der Bewegung — Lernen durch Bewegung. Teil 2.
12. In : Horgeschadigtenpadagogik, Heidelberg: Julius Groos Verlag
13. Wlasova, Tatjana &Pfafenrodt, Antonina (1997) : Phonetische Rhythmik. Moskwa: Utschebnaja literatura (russ.)

Резюме
В статье рассматриваются проблемы совершенствования речевых навыков и выразительности произношения за счет использования комплексных двигательных упражнений по системе верботонального метода из Загреба. Вначале рассматривается история развития верботонального метода по Петару Губерина и его составных компонентов. Далее приводятся примеры упражнений по фонетической ритмике на примере фонетики немецкого языка в учреждениях для лиц с нарушениями речи и слуха.

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