DEUTSCHE UND RUSSISCHE PHRASEOLOGISMEN
MIT TIERBEZEICHNUNGEN IM KONTRAST
Гертнер Е.Г.
Северо-Казахстанский государственный университет им. М.Козыбаева,
г. Петропавловск
gelena2171@mail.ru
Tierbezeichnungen bilden in beiden Sprachen eine der größten und produktivsten Konstituentengruppen in Phraseologismen [1,184]. Der Beitrag setzt sich das Ziel, die Divergenzen bzw. Übereinstimmungen zwischen beiden Sprachen in einer kontrastiven Analyse festzustellen und zu beschreiben.
Die deutsche «Phraseologie ist oft Gegenstand interlingualer Vergleiche gewesen mit unterschiedlicher Zielsetzung.» [2,47], d.h. Teile des deutschen phraseologischen Systems wurden mehrfach mit respektiven Teilsystemen anderer Sprachen kontrastiert.
Földes betrachtet Phraseologismen als einen «prototypischen Hort des kulturellen Gedächtnisses» einer Sprachgemeinschaft, in dem sich «das versprachlichte kollektive Wissen und damit das sprachliche Weltbild in aufschlussreicher Weise» manifestiert [3,432]. Da deutsche und russische Sprecher eine unterschiedliche Geschichte, Natur, Kultur und daraus resultierende Unterschiede in der Wahrnehmung der Welt haben, ist für die vorliegende Untersuchung davon auszugehen, dass sich in Phraseologismen kulturspezifische und kulturtypische Begebenheiten widerspiegeln.
In vielen Kulturen haben Tiere eine symbolische Funktion. In allen Kulturgemeinschaften wurden den «Tieren bestimmte symbolische Funktionen zugeschrieben, wurden sie in ihrem Verhalten, ihrer äußeren Erscheinung, ihrer Beziehung zum Menschen usw. mit symbolischen Bedeutungen belegt». [4,157]
Es ist vom entsprechenden Kulturraum abhängig, welche Eigenschaften mit dem jeweiligen Tier assoziiert werden. Durch die Untersuchung dieser speziellen Gruppe von Phraseologismen lassen sich Übereinstimmungen und Divergenzen in den Symbolfeldern und Kulturen erkennen, z.B. welche auf den Menschen übertragbare Eigenschaften den Tieren zugeschrieben werden. So stellt sich die Frage, warum man im Deutschen hungrig wie ein Bär/Hund/Wolf ist, während man im Russichen nur wie ein ’Wolf’ hungrig sein kann.
Aus dem Vergleich der deutschen und russischen Phraseologismen mit Tierbezeichnungen konnte festgestellt werden, dass die Tierkomponente in Phraseologismen überwiegend negative Eigenschaften oder Verhaltensweisen des Menschen bezeichnen. Die folgenden Beispiele mit den
Komponenten Hund, Hase, Bär, Wolf und Schlange zeigen diese Tendenz deutlich:
HUND: «Im kulturellen Bereich ist ’Treue’ die alle anderen überragende symbolische Bedeutung des Hundes» [4,207]. Sprache und Kultur fallen jedoch nicht völlig zusammen, denn es konnten keine deutsche Phraseologismen gefunden werden, in denen Hund in der symbolischen Funktion des treuen Charakters im positiven Sinne begegnet [5]. Im Russischen gibt es zwar die Einheit верный пёс ’treuer Hund’, doch ’Treue’ ist in diesem Beispiel im Sinne von ’Unterwürfigkeit’ eher negativ konnotiert, also ’ein gehorsamer und einem anderen unterworfener Mensch’. Bei den Phraseologismen mit einer Bezeichnung
des Hundes als Komponente erkennt man die Bedeutung der • ’Minderwertigkeit’:
dt. leben wie ein Hund, rus. жить как собака ’in erbärmlichen Umständen
leben’
• ’Boshaftigkeit, Aggressivität’:
dt. keine schlafenden Hunde wecken, rus. не будить спящую собаку ’nicht unnötig jmds. Aufmerksamkeit erregen und sich damit überflüssige
Unannehmlichkeiten bereiten’ • ’Streitsucht’:
dt. leben wie Hund und Katze, rus. жить как кошка с собакой ’sich ständig
streiten’
HASE: Mit der Komponente Hase wird in beiden Sprachen die Vorstellung von ’Ängstlichkeit’ und ’Feigheit’ verbunden [5]:
• ’sehr ängstlich sein’: dt. ängstlich wie ein Hase
rus. трусливый/пугливый как заяц
Im Deutschen tritt Hase noch mit der Bedeutung ’Erfahrenheit’ in ein alter Hase sein auf. Im Russischen wird der Hase nicht mit dieser Bedeutung verbunden; im Zusammenhang mit ’Erfahrenheit’ wird aber statt der Komponente ’Hase’ die Komponente птица ’Vogel’ verwendet: стреляная птица ’ein erfahrener Mensch’.
BÄR: Der Bär wird im Deutschen und Russischen mit der Vorstellung von ’Stärke’ assoziiert und negativ konnotiert im Sinne von ’Nachteil, Schaden’ [5]:
• ’Stärke ’:
dt. stark wie ein Bär rus. сильный как медведь • ’Nachteil, Schaden’:
dt. jmdm. einen Bärendienst erweisen, rus. сослужить медвежью
службу/медвежья услуга ’jmdm. einen schlechten Dienst erweisen’
Die Bedeutung ’Plumpheit’ ist nur im Russischen mit dem Bär verbunden (rus. неуклюжий как медведь ’ein ungefüge/ungeschickter Mensch’). Die Bedeutung ’Hunger, Gier’ ist aber nur im Deutschen mit diesem Tier verbunden (dt. hungrig wie ein Bär sein). Im Russischen wird ’Hunger’ nur durch die Komponente волк ’Wolf’ in голодный как волк (hungrig wie ein Wolf) in der Bedeutung ‘sehr hungrig’ versprachlicht.
WOLF: Die Komponente Wolf wird in beiden Sprachen in Verbindung mit ’Hunger‘,’Gefahr‘,’Boshaftigkeit und Aggressivität‘ verwendet [5]:
• ’Hunger’:
dt. hungrig wie ein Wolf rus. голодный как волк • ’Gefahr’:
dt. ein Wolf im Schafsfell rus. волк в овечьей шкуре (wörtl. ein Wolf im Lammfell) • ’Boshaftigkeit, Aggressivität’:
dt. mit den Wölfen heulen ’sich der Mehrheit (aus Opportunismus) anschließen,
etwas moralisch nicht Einwandfreies gegen die eigene Überzeugung mitmachen’ rus. сколько волка не корми, он всё в лес смотрит ’schlechter Charakter und
aggressives Verhalten lässt sich niemals ablegen oder ändern’.
SCHLANGE / NATTER: Mit der Schlange/Natter lässt sich das Symbol der ’Falschheit, Boshaftigkeit’ in beiden Sprachen verbinden [5]:
dt. eine Schlange/Natter am Busen nähren
rus. взрастить/пригреть змею/гадюку на груди (wörtl. die Schlange am Busen großziehen/halten) ’jmdn. in seine Obhut nehmen, von dem man später geschädigt wird oder Schaden zu befürchten hat’.
rus. змея подколодная ’ein sehr schlechter und untreuer Mensch’ Im Russischen verbindet man mit der Schlange das Symbol der ’Gefahr’:
rus. гремучая змея (wörtl. eine Schlange mit Glocke) ’ein sehr gefährlicher Mensch’.
Zusammenfassend kann mit der vorgelegten Untersuchung festgehalten werden, dass die Tierbezeichnungen in phraseologischen Einheiten positive und negative Eigenschaften oder Verhaltensweisen des Menschen bezeichnen, wobei festzustellen ist, dass die negativen semantischen Eigenschaften in beiden Sprachen überwiegen. Hierzu kommen in beiden Sprachen gleiche, aber auch unterschiedliche Tierbezeichnungen und eine mit ihnen verbundene konvergierende bzw.
divergierende Tiersymbolik zur Anwendung.
Literatur:
1. Fleischer, Wolfgang. Phraseologie der deutschen Gegenwartssprache. Tübingen: Niemeyer, 2005.
2. Burger, Harald. Phraseologie. Eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2010.
3. Földes, Csaba. Phraseme mit spezifischer Struktur. Berlin, New York: de Gruyter: 424–435, 2007.
4. Dobrovol’skij, Dmitrij. Symbole in Sprache und Kultur: Studien zur Phraseologie aus kultursemiotischer Perspektive. Bochum: Brockmeyer, 1997.
5. Dudenredaktion (ed.). Redewendungen und sprichwörtliche Redensarten. Wörterbuch der deutschen Idiomatik. Mannheim etc: Bibliographisches Institut GmbH. ( Duden Band 11), 1998.