DEUTSCH AN DER SCHULE – EIN SCHRITT IN DIE ZUKUNFT?
Achrieva L.A., Zhumagulova E.W.
Kokschetauer staatliche Schokan Ualichanow Universität
Kasachstan ist ein multinationaler und mehrsprachiger Staat. Laut dem Erlass des Präsidenten der Republik Kasachstan wurde drei Sprachen in Kasachstan besondere Bedeutung beigemessen. Diese Sprachen sind Kasachisch als die Sprache des offiziellen Verkehrs, Russisch als alternative Sprache für den alltäglichen Verkehr und Englisch, damit Studierende in die Lage versetzt werden, die komplexen Anforderungen des Fachstudiums an ihrer jeweiligen Universität und im internationalen Studentenaustausch zu bewältigen.
Neben der kasachischen und russischen Sprachen werden heutzutage in Kasachstan noch drei Fremdsprachen an den Schulen gelernt: Englisch, Deutsch und
Französisch. Man könnte sich dieser Vielfalt erfreuen, aber… Heute ist in Kasachstan Englisch als Erstfremdsprache anerkannt, während zwei andere Sprachen den zweiten und den dritten Platz im Schulsystem besitzen.
Obwohl diesen drei Sprachen de jure eine große Bedeutung im kasachstanischen Schulwesen beigemessen wird, muss man zugeben, dass de facto die Situation mit dem Fremdsprachenlernen nicht so erfreulich aussieht. Erstens, immer weniger Schulen bieten den Schülern Deutsch bzw. Französisch als Fremdsprachen an, wenn schon, dann meistens als Zweitsprache nach Englisch. Nur noch in manchen Dörfern, wo es an den Englischlehrern mangelt, lebt noch Deutsch. In den Großstädten Astana, Almaty, Oskemen funktionieren deutsche Gymnasien und Schulen mit vertieftem Deutschunterricht. Hier unterrichten Deutsch gut qualifizierte Lehrer, die es gut verstehen, das Interesse der Schüler zu erwecken und sie zum Deutschlernen zu motivieren.
Von Jahr zu Jahr wird die Zahl der Studenten an den Fremdsprachenfakultäten reduziert, die Deutsch als Fach studieren. Zum Beispiel, an der staatlichen Universität Kokschetau beträgt heute die Gesamtzahl der Studenten, die Deutsch studieren, nur noch zwölf , darunter zwei im ersten Studienjahr, sechs im zweiten, ein Student im dritten und drei im vierten.
In der letzten Zeit aber verlangen die Eltern der Dorfschüler von dem Schulleiter, dass statt Deutsch Englisch unterrichtet werden muss, weil sie um die Zukunft ihrer Kinder besorgt sind. Welche Zukunft eigentlich? Mit zwei Stunden Deutsch oder Englisch in der Woche kann man nicht viel anfangen und also von den Schülern keine studienrelevanten Schlüsselkompetenzen erwarten.
An den Schulen bekommen die Schüler laut dem Curriculum zweimal in der Woche Fremdsprache, sei es Englisch, Deutsch, oder Französisch. An den Gymnasien und Lyzeen beträgt die Stundenzahl bis 5-6 Stunden wöchentlich. Es gibt
Nasarbajew Schulen in Kasachstan, wo vorläufig nur Englisch unterrichtet wird.
Viele Schüler an diesen Schulen können ziemlich gut Englisch, man spricht auch davon, dass Deutsch als Zweitsprache hier eingeführt wird. Diese Schulen gehören zu den Eliteschulen, wo die begabtesten Kinder lernen.
Diejenigen Schüler, die am Gymnasium gelernt haben, haben mehr grammatische und lexikalische Kenntnisse bekommen, deshalb besitzen sie im größeren Masse studienrelevante Schlüsselkompetenzen als die Schulabgänger der allgemeinbildenden Schulen. Schon am Anfang ihres Studiums an der Universität besitzen sie gewisse Fertigkeiten, während die anderen kaum lesen und übersetzen können, geschweige denn sprechen.
Eine große Hilfe leistet die deutsche Gesellschaft „Wiedergeburt“ denjenigen, die Deutsch lernen möchten. Hier unterrichten Deutsch Lehrer, die in Deutsch verliebt sind. Jeder, der Interesse für Deutsch hat, darf hierher kommen und nicht nur seine Kenntnisse verbessern und die Fertigkeiten im Sprechen, Schreiben, Hören und Lesen vervollkommnen, sondern viel über die Kultur, Geschichte, das Leben in Deutschland erfahren. Viele Jugendliche, Schüler und Studenten, kommen in die Gesellschaft „Wiedergeburt“ zu dem Deutschkurs, darunter auch jene, die Deutsch als Zweitsprache an der Universität studieren. Diese Studenten denken an ihre Zukunft, sie wissen, dass Deutsch ihnen die Türen in eine Welt aufmacht, wo sie ihre Träume in die Wirklichkeit umsetzen können.
Die Lehrbücher für Deutsch hierzulande motivieren die Schüler wenig, sie sind nach den Gesetzen der alten Methodik geschaffen, Texte und Aufgaben stimulieren die Schüler nicht, Deutsch aktiv und kreativ zu lernen. An den deutschen
Gymnasien und Schulen mit vertieftem Deutschunterricht gibt es eine größere Auswahl von den Lehrwerken, darunter auch deutschen. Hätten alle Deutschlehrer moderne Lehrwerke an den Schulen, wäre der Lehr-und Lernprozess viel erfolgreicher.
Kreativ arbeitende Lehrer an den Gymnasien und Schulen mit dem vertieften Deutschunterricht erteilen den Schülern solche Aufgaben, die die Fähigkeit zu angemessener und kritischer Rezeption von Texten und Vorlesungen, die Fähigkeit zum Präsentieren eigener Untersuchungen und Ergebnisse sowie die Fähigkeit, sich auf mündliche und schriftliche Prüfungen selbständig vorzubereiten entwickeln. Populär sind Mini-Projekte, Formen wissenschaftlichen Schreibens, solche wie wissenschaftliche Projekte der Schüler, Beiträge, die unter der Leitung des Deutschlehrers und des wissenschaftlichen Betreuers, der in den meisten Fällen ein Hochschullehrer ist, geschaffen werden. Die besten Schüler nehmen an den Olympiaden teil, sie werden gelobt und mit Geschenken ausgezeichnet. Diese Veranstaltungen stimulieren das Interesse der Schüler, ändern ihre Einstellung zum Deutsch, sie beginnen zu verstehen, dass Deutsch für ihre Zukunft relevant sein kann.
Damit Studierende in die Lage versetzt werden, die komplexen Anforderungen des Fachstudiums an ihrer jeweiligen Universität und im internationalen Austausch zu bewältigen, muss man heute vieles ändern. Im Großen und Ganzen verfügen die meisten DaF-Studierende über sehr bescheidene Kompetenzen zu Beginn ihres Studiums an der Universität. Wenn wir über die Schulabgänger sprechen, die den
Beruf des Designers oder Ingenieurs usw. anstreben und in der Schule Deutsch gelernt haben, so beginnen sie öfters an der Universität nicht Deutsch, sondern Englisch zu studieren, denn z.B. unter dreißig zukünftigen Ingenieuren haben nur zwei oder drei Deutsch in der Schule gelernt. Für sie wird selbstverständlich keine Extra-Gruppe gebildet, deshalb müssen alle Englisch studieren. Als Folge kann der Studierende weder Deutsch noch Englisch sprechen.
Man muss hinzufügen, dass vieles vom Enthusiasmus, Talent und Wunsch des Lehrers abhängt. Die Schulleiter geben an manchen Schulen den Deutschlehrern freie Hand – wenn sie die Schüler der vierten Klasse der Grundschule am Ende des Schuljahrs für Deutsch gewinnen, so wird Deutsch als Erstsprache in dieser Schule weiterleben. Solche Erfahrungen gibt es am Gymnasium in Kokschetau. Die Deutschlehrer veranstalten eine kleine Vorstellung vor den Schülern: sie erzählen über Deutschlands Sehenswürdigkeiten, zeigen Power-Point Präsentationen, singen deutsche Lieder, tragen Kindergedichte vor, spielen mit den Kindern. Die Kinder wählen mit Freude diesen lustigen, freundlichen Deutschlehrer, das heißt — Deutsch. Es gab auch Fälle, da die Schüler, die zuerst Englisch gewählt haben und schon zu lernen begonnen haben, in der Mitte des Jahrviertels die Fremdsprache zu Deutsch wechselten. Aber das heißt nicht, dass sie die Sprache wechselten, das heißt — den Lehrer.
Die Deutschlehrer müssen heute kreativer als Englischlehrer arbeiten, und so ist es auch. Deutsch lebt in Kasachstan und hat Zukunft, solange es solche Lehrer gibt.